Freitag, 30. Mai 2014

Weltkulturerbe Quedlinburg





Textilkunst – die Herstellung von den Raum schmückenden Textilien und von Bekleidung – lag schon immer in den Händen von Frauen.

Erinnert sei hier an die Quedlinburger Knüpfteppich Fragmente, die zu den größten Kostbarkeiten mittelalterlicher, monumentaler Textilkunst zählen, in Auftrag gegeben von der Quedlinburger Äbtissin Agnes von Meißen, die jetzt zum Domschatz gehören und in der Stiftskirche St. Servatius aufbewahrt werden.

Ende des 12. Jahrhunderts begann die Rückbesinnung auf die Antike, so wurde auf diesen Teppichen eine Geschichte des klassischen Altertums verbunden mit der mittelalterlichen Weltsicht und Hierarchie.
Heute wiederum verbinden die ausgestellten Wandteppiche diese spätromanischen Bildteppiche mit der Neuzeit.

Auch wir besinnen uns zurück, arbeiten allein, über eine große Zeitspanne und mit typisch weiblichen Materialien – Stoff, Nadel und Faden.

Allerdings geschieht dies in anderer Form und in moderner Sichtweise:
Auf dem Wandbehang von Marie-Luise Schulz „ Freiheit im Netz - Hommage an Edward Snowden “ agieren wie auf den alten Fragmenten menschliche Figuren, jedoch nicht im Sinn des mittelalterlichen Weltbildes. Vielmehr spiegeln sie den heutigen Menschen in seinem Ausgeliefertsein an die von ihm
selbst entwickelte digitale Technik. Entsprechend „treiben“ die Figuren im Netz verknüpft, gemeinsam und doch jede für sich, korrekt und angepasst, in dem ihnen zugemessenen Raum. Und damit scheinen sie einem neuzeitlichen Weltbild zu entsprechen.

Bei den Wandteppichen von Bernhardine Bahri „Paradiesgarten“ und „o.T.“ stehen im Gegensatz zu den bildlichen Darstellungen des Mittelalters Struktur und Farbigkeit im Vordergrund. Statt Hanf und Wolle als Knüpfmaterial zu benutzen, wurden Stoffreste, Folien aus Aluminium und Kunststoff auf Gewebe aus dem Baugewerbe appliziert. Dieses „Recycling“ ist ebenfalls eine Form der Rückbesinnung, der Aufwertung und der Besinnung.
So wie die Augen von Kaiser und Bischof, Edelsteine und Sternengrund schimmerten, leuchten jetzt die unterschiedlich farbigen Folien. Der „Paradiesgarten“ greift alte ornamentale Gestaltungsformen auf.
Leerstellen in den Behängen, die die alte Wand des Hagenschen Freihofs aus dem 16. Jahrhundert durchscheinen lassen, zitieren die berühmten Quedlinburger „Fragmente“.

So wie die alten Bildteppiche Räume schmückten und wohnlich machten und die Menschen aufforderten, Geschichten im Kopf zu bedenken, sollen auch die hier ausgestellten Arbeiten die Betrachter in ähnlicher Weise anregen.




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